Exkursion des Laurentianum nach Erfurt, Buchenwald und Weimar
Es waren Menschen

Zu Beginn des Pfingstwochenendes begaben sich 41 Neuntklässler:innen des Gymnasium Laurentianum unter der Leitung von Bettina Bloch, Lars Boesenberg und Jessica Neeland auf eine aufwühlende und kontrastreiche Exkursion nach Thüringen.

Weitere Bilder in Kürze.

Im Zentrum der dreitägigen Exkursion stand die Frage, unter welchen Bedingungen Kultur und Menschlichkeit gelebt werden, und wann Menschen zu Grausamkeit und Barbarei fähig werden. Dieser Frage ging die Exkursionsgruppe in einem emotional kontrastreichen Programm nach.
Bei einem Rundgang durch die sehenswerte mittelalterliche Altstadt Erfurts und dem Besuch der ältesten erhaltenen Synagoge Europas nördlich der Alpen stellte sich diese Frage zum ersten Mal. Warum haben die Bürger Erfurts, die weltoffen waren und Juden als Teil der Stadtgesellschaft respektiert haben, dennoch 1349 in einem spontanen Pogrom alle etwa 900 Juden der Stadt ermordet?
Fassungslosigkeit und Irritation löste der anschließende Besuch des Erinnerungsorts „Topf & Söhne“ aus. Diese Erfurter Firma baute die Öfen für die Krematorien in Auschwitz, Buchenwald und anderen Konzentrationslagern sowie die Entlüftungsanlagen der Gaskammern in Auschwitz. Dies geschah nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern aus unternehmerischem Gewinnstreben sowie der Konkurrenz zweier Ingenieure des Unternehmens um die beste technische Lösung. So trat das Unternehmen „Topf & Söhne“ mehrfach an die SS heran, um Verbesserungen an den Öfen vorzuschlagen und so den Vernichtungsprozess zu „optimieren“. Die Schüler:innen setzten sich mit der Frage nach dem Gewissen der Ingenieure und der Geschäftsführung auseinander und waren von deren Rechtfertigungsversuchen in der Nachkriegszeit ebenso erschüttert wie der Tatsache, dass die Firma das Modell der Verbrennungsöfen der Konzentrationslager nach dem Krieg als Müllverbrennungsofen in Westdeutschland zu verkaufen versuchte.

Am folgenden Tag stand der emotionalste Teil der Exkursion an, der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald.

Leitender Gedanke war, wie vom ehemaligen Buchenwaldhäftling Józef Szajna formuliert, „Es gab nicht Teufel und Menschen, sondern Menschen und Menschen“. Dass „ganz normale Menschen“ nicht nur zu Tätern wurden, sondern die ohnehin unmenschlichen Regeln und Bedingungen des Konzentrationslagers durch negative Kreativität, Machtstreben und Sadismus noch steigerten, löste bei den Schüler:innen erneut Fassungslosigkeit und Entsetzen aus und führte zu emotionalen Fragen. Zugleich irritierte die Schüler:innen, dass SS-Offiziere mit ihren Familien ein „ganz normales“ Leben führten und nach ihrem Dienst in die Theater Weimars gingen oder sich liebevoll ihren Familien widmeten.
Auch die perfide Strategie der SS, nicht alle Häftlinge gleich zu behandeln, sondern mittels Belohnungen und Strafen eine Häftlingshierarchie zu etablieren mit dem Ziel eines Überlebenskampfes von Häftlingen gegen Häftlinge, sorgte für Entsetzen und Diskussionen.
Eine auf dem Lagergelände installierte schlichte Bodenplatte aus Metall, die zum Gedenken der Opfer und der Mahnung an die Menschlichkeit stets auf 37 Grad Celsius temperiert ist, löste vor diesem Hintergrund entsprechend emotionale Reaktionen der Schüler:innen aus, ebenso der Besuch des Krematoriumsgebäudes, in dem die Verbrennungsöfen der Firma „Topf & Söhne“ zu sehen waren. Erschüttertes Schweigen und manche Tränen prägten diesen Teil der Exkursion.
Der Kontrast des Folgetages, die Auseinandersetzung mit der Lebendigkeit, Offenheit, Humanität und Kultur der Weimarer Klassik Goethes, Schillers und der freiheitlichen Herrschaft des Weimarer Herzogs Carl Augusts im 19. Jahrhundert, irritierte die Exkursionsgruppe schließlich vollends. Nach einem Stadtrundgang zur Weimarer Klassik und zu der Rolle Carl Augusts und Goethes, dem Besuch der herzoglichen Residenz von Anna Amalia sowie von Goethes Wohnhaus, stellte sich den Schüler:innen die Leitfrage der Exkursion umso deutlicher: Wie konnte in diesem historischen Umfeld höchster Kultur eine solche Unkultur möglich werden?

In einer Abschlussreflexion wurde deutlich, dass darauf keine befriedigende Antwort gefunden werden kann, sondern nur erklärende Aspekte benannt werden können. Umso dringlicher erschien als Fazit, wachsam zu sein, eine humane und diverse Gesellschaft zu bewahren.