Berlin-Projekt der Q1

5 Tage voller Begegnungen

95 Laurentianer:innen der Q1 waren mit ihren Lehrer:innen zum jährlichen Berlin-Projekt ihrer Schule in der Hauptstadt. Dabei standen intensive Begegnungen im Mittelpunkt und bewegten die Schüler:innen und führten zu tiefen Einblicken.

Die Jahrgangsstufe Q1 mit Ihren Lehrerinnen und Lehrern auf der Dachterrasse des Reichstagsgebäudes

Bereits die Fahrt nach Berlin stand im Zeichen des gesellschaftlichen Lernens. In der Gedenkstätte Helmstedt/Marienborn erkundeten die Schüler:innen die ehemalige Grenzübergangsstelle zwischen der BRD und der DDR und spürten die nach wie vor bedrückende Wirkung des Orts. Insbesondere die Untersuchungsräume für Verdächtige warfen Fragen nach dem Warum auf.

Nach der Ankunft in Berlin erkundeten die Schüler:innen, die von ihren Lehrer:innen Lars Boesenberg, Julia Holz, Robin Krühler, Hermann Richter, Sandra Santoro, Simon Veerkamp sowie der Referendarin Bettina Bloch begleitet wurden, die Stadt auf dem Fahrrad. In mehreren Teilgruppen wurden Sehenswürdigkeiten und auch die für Berlin so typischen Kieze angesteuert. Dabei stand auch Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße auf dem Programm, wo inhaltliche Verbindungen zu den Erfahrungen in Helmstedt/Marienborn hergestellt wurden.

Das am folgenden Morgen besuchte ehemalige Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen machte betroffen und ließ erkennen, wie Diktaturen mit ihren Bürger:innen umgehen. Dass ehemalige Häftlinge die Schüler:innen durch diesen Ort führten und von ihrer Haftzeit berichteten, vertiefte diese Erfahrung.

Anschließend und am folgenden Tag wartete eine Herausforderung ganz anderer Art auf die Schüler:innen. Mit Berliner Studierenden aßen sie in der Mensa Nord zu Mittag und mussten sich in einem so vielfältigen Angebot zurechtfinden, dass manche sich überfordert fühlten. Und auch hier wurde klar, wie bunt und vielfältig das Leben in Berlin ist. Dass ein Gast sein Essen wie selbstverständlich mit einem Papagei auf der Schulter einnahm, wurde von den Schüler:innen erstaunt und amüsiert beobachtet.

In Kleingruppen erschlossen die Schüler:innen die Stadt im Anschluss selbstständig. Anhand historischer Fotos suchten sie die jeweiligen Orte auf und machten ein aktuelles Foto aus derselben Perspektive und erarbeiteten, was sich warum in der Zwischenzeit verändert hat und was das für die Menschen bedeutet. Dabei kamen interessante Begegnungen zustande, so sprach eine Gruppe mit den Bewohner:innen einer Wagenburg im ehemaligen Mauerstreifen. Andere Gruppen waren enttäuscht, dass sie niemanden angetroffen haben, der von früher berichten konnte. Aber auch dies war eine Erkenntnis, so wurden viele Berliner:innen, die hätten berichten können, aus Vierteln wie dem Prenzlauer Berg verdrängt, was so sehr deutlich erkennbar wurde.

Am Abend wurde der Sonnenuntergang über den Lichtern Berlins auf der Dachterrasse des Bundestags begangen, was einen stimmungsvollen Tagesabschluss darstellte.

Der Mittwoch und Donnerstag standen im Zeichen fachbezogener Programme und Projekte aus den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern und dem Fach Kunst. So berichtete eine ehemalige Drogenabhängige und Obdachlose von ihrem Leben in Berlin, eine andere Gruppe erschloss die Revitalisierungsmaßnahmen am Kottbusser Tor, während eine weitere Gruppe sich an der Siegessäule mit dem Großmachtstreben des Kaiserreichs beschäftigte. Andere Schüler:innen besuchten die Berlin Biennale und setzten sich mit der künstlerischen Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit auseinander, andere wiederum mit dem „Mythos“ Kreuzberg.

Intensive Begegnungen ergaben sich auch im Gespräch mit Harald Hauswald, einem bekannten oppositionellen Fotografen in der DDR, der massiv unter Stasi-Beobachtung stand und verfolgt wurde, und seinem Gesprächspartner, einem ehemaligen FDJ- und SED-Funktionär, der die DDR verteidigte und die Stasi als ganz normalen Geheimdienst darstellte. Der heftige Streit zwischen beiden Zeitzeugen war für die beteiligten Schüler:innen außerordentlich erkenntnisreich.

Eine andere Gruppe war zeitgleich im Gespräch mit Maik Scheffler, einem hochrangigen Aussteiger aus der rechtsextremen Szene, und Beamten des LKA Berlin, deren Aufgabe der Kampf gegen Rechtsextremismus ist. In einem sehr intensiven und offenen Gespräch, in dem die Gesprächspartner keiner Frage ausgewichen sind, erschlossen die Schüler:innen die Motive, in die rechtsextreme Szene einzutauchen, deren Weltbilder und auch den schwierigen Weg, wieder auszusteigen.

Intensiv war auch die Begegnung mit Schwester Hannelore von den Franziskanern in Berlin-Pankow. Die Begleitung von Sterbenden am AIDS-Virus, von Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, ist ihre Lebensaufgabe, und das Gespräch mit ihr hat den Schüler:innen neue Perspektiven eröffnet.

Auch der zeitgleiche Besuch einer weiteren Gruppe der „Arche“ in Berlin-Hellersdorf war eine intensive Begegnung. In dieser Einrichtung werden Kinder und Jugendliche gefördert und bestärkt, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, obwohl sie am Rand stehen und von vielen abgeschrieben werden. Der Kontrast zwischen dem Alltag in Hellersdorf und dem in Warendorf war augenfällig.

Am letzten Tag besuchten die Schüler:innen vormittags unterschiedliche Museen nach Wahl. Sowohl Kunstmuseen wie die wiedereröffnete Neue Nationalgalerie oder der Hamburger Bahnhof, als auch historische Orte wie die „Topographie des Terrors“ oder das Holocaust-Mahnmal standen auf dem Programm.

Zum Abschluss traf sich der gesamte Jahrgang mit seinem Wahlkreisabgeordneten Henning Rehbaum in einem Ausschussaal des Paul-Löbe-Hauses des Bundestags. An diesem beeindruckenden Ort löcherten die Schüler:innen ihren Abgeordneten mit vielfältigen und kritischen Fragen, unter anderem zur Fortführung des Neun-Euro-Tickets, des Wahlalters ab 16 oder zur allgemeinen Verkehrspolitik, und es ergab sich ein intensives Gespräch zwischen den Schüler:innen und ihrem Abgeordneten.

Die intensivste Begegnung hatte die Jahrgangsstufe aber mit sich selbst. In den fünf Tagen in Berlin haben sich neue Kontakte ergeben, und vor allem der durch die Schüler:innen selbst organisierte Kulturabend, der im Innenhof des Hotels stattfand, hat die Jahrgangsstufe noch weiter zusammengeführt.

Mit vielen neuen Eindrücken und Reflexionen sowie einer starken Gemeinschaftserfahrung kehrte die Q1 des Laurentianum spät in der Nacht nach Warendorf zurück.